Quelle: www.borener-zeitung.de
Je höher, desto besser, je steiler, desto erhabener das Gefühl, es gepackt zu haben. So geht es David Leitheiser jedes Mal, wenn er mal wieder einen Treppenlauf erfolgreich absolviert hat. Jetzt ging es für den 50-Jährigen im Hochschwarzwald 140 Meter hinauf
Normal ist das nicht. Er weiß es. Aber David Leitheiser hat genau das – das Extreme, das Außergewöhnliche, das Skurrile – gesucht. Irgendwann wurde es dem 50-Jährigen zu langweilig, einfach nur möglichst schnell eine flache Distanz zu überwinden. „Und ich fand keinen mehr, der mein Tempo mitgehen konnte. Das Training wurde mir zu einsam“, sagt der Heidener. Seitdem geht es in Leitheisers sportlichen Karriere noch steiler bergauf.
Je höher, desto besser, je steiler, desto erhabener das Gefühl, es gepackt zu haben. Leitheisers Passion ist der Treppenlauf. Beim Hochfirstschanzenlauf in Titisee-Neustadt machte er nun eine Grenzerfahrung der ganz speziellen Art. 250 Hartgesottene hatten sich auf den Weg gemacht – vom Auslauf der größten Naturschanze Deutschlands über Gras, Gestein und schließlich über die Absprungrampe bis zur Spitze des Turmes. 140 Höhenmeter mussten sie bezwingen. Leitheiser triumphierte über sich selbst, war schnellster sein Altersklasse und belegte Gesamtrang 75.
„Ich habe schon viele verrückte Sachen gemacht, aber das war schon ein Oberhammer“, sagt er. „Es ist eine unglaubliche Belastung, da man vom Start weg im anaeroben Bereich läuft. Die ersten 100 Meter sind noch einfach. Aber dann beginnen die Schmerzen. Das tut so weh“, sagt das Mitglied der Viktoria. An einen aufrechten Gang sei so gut wie gar nicht zu denken gewesen.
Also griff er wie seine Mitstreiter ins Gras, meisterte auf allen Vieren die enorme Steigung von bis zu 35 Grad. Sein Puls erreichte Maximalwerte, die Waden schmerzten. Nur auf den letzten ein, zwei Metern zogen ihn helfende Hände hoch auf die blaue Weichbodenmatte, auf ebenen Untergrund – endlich.
„Das war mit nichts vergleichbar“, meint er. Und das Ganze machte er zweimal. Im Vorlauf lief er in 6:12 Minuten auf Platz 19, qualifizierte sich somit fürs B-Finale. In dem war er nach 6:27 Minuten auf 963 Meter Seehöhe angekommen.
Bei einer derartigen Tortur kommen seine früheren Distanzen und Erfolge auf flacher Strecke wie Willensprüfungen von der Stange daher. 2009 belegte er in der deutschen Läuferrangliste, in der 22 000 Athleten geführt wurden, Rang 150. Im selben Jahr lief er bei der Deutschen Meisterschaft in Frankfurt seine Marathon-Bestzeit: 2:45 Stunden. In Mönchengladbach stellte er in 1:18 Minuten seine Bestmarke im Halbmarathon auf. Ebenfalls vor sechs Jahren belegte er beim Marathon in Bremen Rang vier, in Düsseldorf Platz sechs in seiner Altersklasse. Dann setzte bei Leitheiser der Sinneswandel ein. Er suchte fortan das Spezielle, begeisterte sich fürs Rückwärtslaufen und für vertikale Strecken. Möglichst steil, möglichst viele Stufen – dann prickelt es so richtig bei ihm. Gebrochene Zehen inklusive.
Noch vor zwei Wochen ging er bei der Premiere des Rekener Tower-Runs auf den Aussichtsturm am Melchenberg an den Start. Die Marathon-Distanz von 42,195 Kilometer bewältigte er in 8:12 Stunden. Das nächste Großprojekt hat er bereits im Visier. Beim Millennium-Tower-Run in Wien, der weltweit den zweiten Platz unter den Treppenläufen belegt, will er seinen Platz unter den besten 30 Athleten aus dem Jahre 2013 wiederholen. Dreimal 2529 Stufen gilt es dort zu bewältigen.
Viel weniger dürfen es nach dem Geschmack von Leitheiser eigentlich nicht sein. Weil er aber Mitgründer des Verbandes „Tower Running Germany“ ist, will er sich auch bei kleineren Szene-Events sehen lassen – wie beim LVM-Skyrun in Münster am 18. Oktober – über 18 Stockwerke und nur 360 Stufen.
Bis dahin wird man Leitheiser noch oft in seinem bevorzugten Trainingsrevier antreffen. Für das Oberhausener Gasometer, die mit 115 Metern Höhe höchste Ausstellungshalle Europas, ist der Heidener Besitzer einer Jahreskarte …
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