F.C. Viktoria Heiden 1921 e.V.

Verein | Henrik Stöttelder seit 10 Jahren an der Pfeife

Ich wollte Schiedsrichter werden, weil ich den Fußball von Grund auf verstehen wollte. Dass es zwei Mannschaften gibt, die jeweils mehr Tore schießen wollen als das andere Team, hat mir nie als Spielziel gereicht. Dass mit Sören Storks ein heutiger Bundesligaschiedsrichter, der schon 2013 in den DFB-Bereich vorgedrungen und seinerzeit in der 3. Liga aktiv war, aus meiner direkten Umgebung stammt, tat dann sicherlich auch sein Übriges. An mein erstes Spiel erinnere ich mich noch genau. Es war ein C-Jugendspiel beim Nachbarverein, es endete 1:1 und beide Tore fielen durch Strafstöße, die ich beide aus heutiger Sicht mit über zehn Jahren Erfahrung als Schiedsrichter so vermutlich nicht mehr verhängen würde.

EIN BIS ZWEI LEHRGÄNGE PRO MONAT

Ab bestimmten Ligen muss vor jeder Saison ein Regel- und Fitnesstest absolviert werden, um nachzuweisen, dass man körperlich wie regeltechnisch in der Lage ist, Spiele auf bestimmtem Niveau leiten zu können. Durch das Bestehen dieser Prüfungen und durch von Schiedsrichterbeobachtern bescheinigte gute Leistungen konnte ich bis in die Bezirksliga und den Landesligakader des Fußballverbands Westfalen vorrücken. Spätestens durch das Dasein im Kader des Verbandes habe ich festgestellt, dass das Schiedsrichtersein deutlich mehr ist als bloß sonntags für 90 Minuten ein Spiel zu leiten.

Im Fußballkreis gibt es regelmäßige Lehrabende sowie weitere Lehrgänge im Verband, bei denen man mit anderen Schiedsrichtern zusammenkommt und sich zu bestimmten Themen und Regelfragen austauschen kann. Durch solche Lehrgänge kann es schnell mal vorkommen, dass neben den Spielleitungen auch ein bis zwei Samstage pro Monat zusätzlich beansprucht werden, was mich persönlich aber immer sehr freut, weil ich so regelmäßig mit anderen Schiedsrichtern in Kontakt bleibe. Denn gerade in den ersten Jahren ist es häufig so, dass wir Schiedsrichter in der Regel Einzelkämpfer sind. Im Jugend- und unterklassigen Seniorenbereich gibt es schließlich noch keine Assistenten, sodass wir in der Spielleitung auf uns allein gestellt sind.

FREUDE IM TEAM – TROTZ LANGER REISE

Nach den ersten Einsätzen als Assistent stieg das Spaßlevel noch einmal deutlich. Denn wenn man regelmäßig im Team von drei Schiedsrichtern unterwegs ist und nicht mehr allein auf dem Platz steht, macht die Schiedsrichterei gleich noch mehr Freude. Schließlich darf man nicht vergessen, dass wir Schiedsrichter immer Auswärtsspiele haben. Das mag in der Kreisliga noch gut machbar sein, aber gerade bei uns im Fußballverband Westfalen, der flächenmäßig deutlich größer ist als viele andere Verbände, können die Fahrten später schon mal sehr weit sein. Ich erinnere mich an ein Landesligaspiel beim BSV Menden vor ein paar Jahren, das an einem Freitag um 19:00 Uhr angestoßen wurde. Da wir einmal quer durch das ganze Ruhrgebiet zum Spielort fahren mussten, was an einem Freitagnachmittag im Berufsverkehr nicht zwingend vergnügungssteuerpflichtig ist, haben wir uns schon um 15:45 Uhr mit dem Team getroffen, weil wir als Schiedsrichter ja immer mindestens eine Stunde vor Anpfiff am Spielort sein müssen. Deshalb können die Spieltage für uns Schiedsrichter sehr lang werden. Dann ist es immer schön, den Tag gemeinsam verbringen zu können.

Ob wir im Gespann oder allein unterwegs sind und welches Spiel wir am Wochenende zu leiten haben, das erfahren wir immer einige Tage im Voraus, wenn wir über das dfbnet unsere Spielaufträge erhalten. Mit der Bekanntgabe der konkreten Spielpaarung beginnt direkt die Spielvorbereitung. Denn genauso wie sich die Mannschaften auf ihre Spiele vorbereiten, bereiten auch wir uns auf die Mannschaften vor. Zu den Basisinformationen zählt u. a. der aktuelle Tabellenrang der beiden beteiligten Mannschaften, aber auch ein Blick auf die Statistiken der vergangenen Spiele – insbesondere das letzte direkte Duell gehört zur wesentlichen Spielvorbereitung. Dadurch lassen sich besondere Ereignisse wie verhängte Platzverweise oder auffällig viele gelbe Karten gut herausfiltern. Auch ein kurzer Blick auf die Instagram-Seite der Vereine sowie die Lokalsportseite der örtlichen Zeitungen gehört bei mir zum festen Repertoire der Spielvorbereitung dazu. Und so kommt es, dass ich mich meistens schon einige Zeit mit dem Spiel beschäftigt habe, obwohl der Spieltag selbst noch ein paar Tage hin ist.

„EHER SACHLICH ODER DARF ES AUCH MAL EIN FLOTTER SPRUCH SEIN?“

Am Spieltag selbst geht es früh genug ins Auto, um pünktlich vor Ort zu sein. Da die meisten Spiele am Sonntag um 15:00 Uhr angepfiffen werden, fällt das gemeinsame Sonntagsessen mit der Familie also in aller Regel flach. Da ich nun schon länger an der Pfeife aktiv bin, komme ich regelmäßig an Spielorte, an denen ich bereits bekannt bin, sodass sich vorab immer das ein oder andere nette Gespräch mit Mannschaftsverantwortlichen oder Spielern entwickelt. Diese kurzen Gespräche machen mir Spaß, helfen aber auch ungemein, um direkt einen Eindruck der Mannschaften zu bekommen. Schließlich ist im laufenden Spiel die Kommunikation mit den Spielern der vielleicht entscheidende Faktor und durch diese kurzen Vorab-Gespräche kann ich immer gut einschätzen, wie ich kommunizieren sollte. Eher sachlich oder darf es auch mal ein flotter Spruch sein?

Eine weitere Aufgabe vor Ort ist die Platzkontrolle, um zu schauen, ob das Spielfeld den geforderten Anforderungen entspricht: Sind die relevanten Linien eingezeichnet? Ist das Tornetz heile? Ist der Platz eben? Da die Teamoffiziellen den Spielbericht spätestens bis 30 Minuten vor Anpfiff freigegeben haben müssen, kann ich anschließend meine Spielnotizkarte vorbereiten. Neben den Rückennummern der Spieler schreibe ich mir auch immer die Namen beider Trainer auf meine Karte. Gerade in unruhigen Phasen des Spiels finde ich es hilfreich, die Trainer direkt anzusprechen, um sie bei Bedarf ein wenig zu beruhigen.

KOMPLEXE AUFGABEN – AUCH FÜR DIE ASSISTENTEN

Dann geht’s raus auf den Platz, um mich warmzulaufen. Wenn wir im Schiedsrichterteam unterwegs sind, kann das Aufwärmprogramm gut damit verbunden werden, die letzten Absprachen zu klären, damit später im Spiel für alle klar ist, wer welche Aufgaben hat. Denn seitdem wir im Amateurfußball Headsets auf dem Platz nutzen können, sind die Aufgaben noch einmal komplexer geworden – gerade für die beiden Assistenten an den Seitenlinien. Sie können dem Schiedsrichter nun immer ihre Sicht der Situationen mitteilen, was deren Funktion und Wichtigkeit erheblich aufwertet. Deshalb tue ich mich schwer mit dem Begriff „Linienrichter“, weil der Assistent heutzutage weitaus mehr Aufgaben hat als auf die Seiten- und Abseitslinie zu achten.

Besonders reizvoll finde ich an der Spielleitung, der eigentlichen Kernaufgabe des Schiedsrichters, dass jedes Duell anders ist und sich dadurch kaum eine Routine im Ablauf einstellen kann. Allein deshalb ist es für mich gar nicht relevant, welche Mannschaften in welcher Liga aufeinandertreffen. Zum Ende der vergangenen Spielzeit durfte ich beispielsweise ein Kreisligaspiel beim TSV Raesfeld pfeifen, bei dem Raesfeld durch einen Sieg erstmals in seiner Vereinsgeschichte in den überkreislichen Fußball aufgestiegen ist. Über 1000 Zuschauer verfolgten diese Partie auf dem Sportgelände. Solche Spiele machen natürlich besonders Spaß!

Nach dem Spiel müssen die spielrelevanten Daten in den Online-Spielbericht übermittelt werden. Erst wenn diese Aufgabe abgeschlossen ist, kann der Feierabend eingeläutet werden. Zu meiner persönlichen Nachbereitung gehört immer noch ein kurzer Blick auf mögliches Videomaterial vom Spiel. Schließlich haben viele Vereine mittlerweile die Möglichkeit zur Übertragung der Spiele, die ich mir ebenfalls gern zu eigen mache, weil die Bilder im Hinblick auf das eigene Laufverhalten und Stellungsspiel sehr helfen. Wenn diese kurze Videoanalyse abgeschlossen ist, dann steht schon wieder die nächste Spielansetzung ins Haus und das ganze Prozedere beginnt von vorn.